Mit spitzer Feder …
Fühlen Sie sich auch überanstrengt vom Weltgeschehen? Was da pausenlos auf uns einprasselt, ist schwer auszuhalten und noch schwerer einzuordnen. Sich einen Reim auf etwas zu machen, heisst ja auch, sich ein wenig zu beruhigen, aber beides will sich nicht recht einstellen. Hand aufs Herz: Der Schweizer Arbeitsalltag ist eine einzige Anspannung, eine Veränderungsspannung, da bleibt kein Stein auf dem anderen. Dieser Alltag ist auch nicht etwa eingebettet in Flaum und Schaum, vielmehr zerren selbst dann, wenn wir nicht gerade Geld verdienen müssen, immer neue Anforderungen an uns: Rollenkonflikte, Ansprüche sowie Bedürfnisse. Wir können, also müssen ohne Unterlass eine Wahl treffen, uns zwischen Angeboten und Optionen entscheiden, zwischen Pflichten, Chancen, Sachen, Personen. Freiheit erzeugt Stress. Und da kommen einige mit «Besinnlichkeit». Wie sollen wir denn besinnlich sein in einer Welt, die total von Sinnen ist? Wie bitte sollen wir zu uns selbst finden, wenn der Weg dorthin von Nachrichten, Newstickern und Sondersendungen versperrt wird, von Reklamegeflimmer und Kampfplauderei? Wobei es nicht die Informationsflut ist, die uns stresst, sondern der unausgesetzte Zwang, sich zu alledem zu verhalten.
Nicht nur in der Advents- und Weihnachtszeit ist Besinnlichkeit ein grosses Thema. Für mich als hochsensibler Mensch ist Besinnlichkeit zum täglichen Mantra geworden, ohne sie könnte ich wohl in dieser verrückten Welt, die geprägt von der bevorstehenden Zeitwende ist, gar nicht existieren. Doch was ist Besinnlichkeit eigentlich? Besinnlichkeit ist eine Einkehr in sich selbst, ein Blick nach innen, aber auch auf den Kosmos um sich herum. Auch für mich bedeutet Besinnlichkeit, innezuhalten und in sich zu gehen und darauf zu achten, was die Seele und das Bauchgefühl einem sagt. Und sie bedeutet für mich, sich darauf zu besinnen, was die göttlichen Mächte mir in der Stille mitteilen möchten. Dabei dürfen alle Gedanken sein, ohne bewertet zu werden. Die grosse Kunst ist allerdings, negative Gedanken vorüberziehen zu lassen und ihnen keine grössere Bedeutung zu verleihen. Besinnlichkeit bedeutet auch, nicht immer sofort zu handeln. Besinnung braucht Zeit und Stille. Und Ruhe finde ich an ganz verschiedenen Orten: daheim, in der Natur, in der Kirche oder an meinen Kraftorten. Besonders wenn die Welt da draussen wieder zu laut und lärmig ist, besinne ich mich beim Gebet in der Kirche. Ich vergegenwärtige mir, was ich den Tag oder die Woche über getan, gefühlt und gedacht habe. Ich überlege mir, was falsch war, wo ich ausweichen wollte, wo ich unaufrichtig war und ich sehe, wo ich mir zustimme.
So ein geistiger Hausputz tut immer gut. Ich habe gerne Ordnung, sowohl in meiner Wohnung – also aussen, als auch innerlich. Besinnlichkeit ist auch ein probates Mittel gegen Krisen jeglicher Art. Ich versuche immer wieder selbst zu Besinnung und damit in meine Mitte zu kommen. Damit ich wieder das Gefühl habe, ich lebe, statt dass ich gelebt werde. Nur so kann man aus der Gedankenspirale ausbrechen und innere Stärke gewinnen, um mit äusseren Umständen besser umgehen zu können. Deshalb lassen Sie uns in Ruhe überlegen, was uns wert und wichtig ist. Denken wir nach über die Welt, unsere Gesellschaft im Grossen wie im Kleinen, über uns selbst und über die Gestaltung der Zukunft.
Ich wünsche ein Jahr der Besinnlichkeit. Dass Sie sich darauf besinnen, dass wir alle in einem Boot sitzen und deswegen füreinander verantwortlich sind und gemeinsam vieles einfacher geht!
Herzlichst,
Ihre Corinne Remund
Verlagsredaktorin